Verlassene Orte üben eine besondere Faszination auf mich aus. Früher streifte ich gerne durch verlassene Fabrikruinen und leerstehende Häuser und lies die Orte auf mich wirken. Hinterlassenschaften einer vorhergehenden Generation. Verfall tritt erstaunlich schnell ein, sobald ein Ort aufgegeben wird.
Meine Heimatstadt ist zersetzt von Tunneln, Gängen, Kellern und Bunkern. Die meisten Eingänge sind zugemauert, manche Systeme sind touristisch erschlossen. Wiederum andere Tunnel leicht zu finden, wenn man ungefähr weiß wo man suchen sollte.
Dunkle Tunnel sind mir bekannt. Dem Abenteuer, dem ich mich im November 2015 angeschlossen habe, eröffnete eine ganz andere Dimension von dunklen Gängen und verzweigten Systemen. Eine andere Art von Dunkelheit. Ich begleitete zwei Fotografen auf eine Reise Unter Tage.
Es ging in die Region Kamsdorf. Seit Jahrhunderten wird in diesem Gebiet Bergbau betrieben.Die Anfänge lassen sich bis etwa 1200 v. Chr. datieren. Dabei waren die unterschiedlichsten Rohstoffe Gegenstand eines mehr oder weniger kontinuierlichen Bergbaus. Die Förderung unter Tage endete 1959. Bis dahin war die Erzgrube Vereinigte Reviere Kamsdorf zu einem Komplex herangewachsen, der sich auf über 100 Kilometer Gänge und Strecken verteilt über 3 Sohlen ausdehnt. Wenn man will, (oder auch nicht will) kann man sich dort sehr gut verlaufen. Ein kleiner Teil davon wird seit den 90gern als Besucherbergwerk zugänglich gemacht.
Die touristisch erschlossenen Gänge waren bei diesem Ausflug eher nebensächlich. Für mich persönlich war die Erfahrung sich durch die Stollen zu bewegen neu. Die Wirkung von Temperatur, Tiefe, Gestein und vor allem die subjekte Wahrnehmung waren für das entstandene Buch ausschlaggebend. Der Wunsch dem Erlebten Ausdruck zu verleihen zu verarbeiten wurde dadurch beflügelt, dass es sich zwar unter gewissen Vorraussetzungen in der beinahen Schwärze eines Raumes gut fotografieren, jedoch umso schlechter zeichnen lässt. Die ersten Skizzen meiner Eindrücke entstanden direkt nach der Begehung und stellen mein subjektives Erleben dar. Sie stehen einigen ausgewählten Fotos gegenüber, die ein objektives Auge während der Reise untertage einnehmen. Die Fotografien in dem Buch sind mit freundlicher Genehmigung von Jonathan Kielkowski und Alexander Pyka abgebildet.
Die Absolute Dunkelheit wird vom sehenden Auge nicht akzeptiert, man meint Abstufungen und Strukturen in Räumen zu erkennen, in die kein Licht fällt. In ÜBER UNTER TAGE wird dies durch den schwarzen Druck auf schwarzen Papier aufgegriffen. Die Konturen sind mit einem bestimmten Lichteinfall klar zu erkennen. Im nächsten Moment erscheint die Zeichnung unbestimmt und nicht zu dekodieren. Ähnlich verhält es sich mit dem Text, der sich genauso klar zeigt, wie er auch unleserlich erscheinen kann.
Insgesamt wurde in diesem Buch, im Vergleich zu vorherigen Buchprojekten verschiedene grafische Techniken eingesetzt. Die Seiten für Fotos und Text wurden mit der Textur einer Holzplatte weis bedruckt, ehe sie mit schwarzen Laserdruck versehen wurden. Die Buchdecke wurde mit einem Holzschnitt geprägt. Die Zeichnungen sind im Siebdruck entstanden.
In dieser Auflage gibt es auserdem ein Unikat in Serie, die Grafik zum Sehen in der Schwärze ist in jedem Buch anders.
ÜBER UNTER TAGE erscheint in einer Auflage von acht Exemplaren.